Zigarren-Kühlschränke und deren Probleme

Zigarrenklimaschränke und verschimmelte Zigarren

Seit einiger Zeit gibt es von verschiedenen Herstellern „elektronisch geregelte“ Zigarrenklimaschränke bzw. Zigarrenkühlschränke für wenig Geld, die immer wieder das gleiche Problem verursachen – verschimmelte Zigarren aufgrund zu hoher Luftfeuchtigkeit. Wie kann das sein, obwohl doch diese Humidore angeblich über eine elektronische Klimasteuerung verfügen?

Ich werde hier keine Produktnamen erwähnen. Googeln Sie einfach mal nach Begriffen wie Zigarrenklimaschrank oder Zigarrenkühlschrank und schauen Sie sich die Werbeanzeigen an. Dann sehen Sie die betreffenden Produkte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen im höherpreisigen Segment (auch diese Modelle bereiten Probleme, wenn auch andere) sind alle diese „Zigarren-Klimaschränke“ nichts anderes als Weintemperierschränke, denen man ein paar Ablagen aus Holz verpasst hat und dann dieses Konstrukt als „Humidor-Klimaschrank“ anpreist. Das sieht man teils auch daran, dass auf den besagten Websiten die Detailbilder und die Bedienungsanleitung der Weinlagerschränke identisch sind mit denen des Zigarrenklimaschrankes.

Wie sind derartige Angebote von Zigarrenkühlschränken zu bewerten und eignen sie sich überhaupt für die Lagerung von Zigarren?

Konstante relative Luftfeuchte

Der wichtigste Einflussfaktor für die korrekte Zigarrenlagerung ist eine möglichst konstante relative Luftfeuchte im Humidor. Ob der Wert nun bei 65, 68, 70 oder 72% liegt ist persönliche Geschmacksache, nur schwanken sollte der Wert möglichst nicht. Grund: Die schwankende Umgebungsfeuchte bewirkt, dass die Zigarre selbst immer wieder Feuchtigkeit aufnimmt und wieder an die Umgebungsluft im Humidor abgibt. Das führt mit der Zeit unweigerlich zum Aufplatzen der Brandenden, da sich der Tabak immer wieder ausdehnen und zusammenziehen muss. Das stresst die Deckblätter und die Zigarre nimmt Schaden.

Bei mehreren Blind-Tastings (Habanos Days) wurden zudem den Zigarren, die bei schwankender Luftfeuchte gelagert werden, die schlechtesten Bewertungen in der Aromenentwicklung attestiert. Schwankende Luftfeuchte ist Gift für die Aromenentwicklung des Tabaks.

Grundlagen, um das Problem der Kühlung von Zigarren zu verstehen

Wenn Sie das Schimmelproblem in Zigarren-Kühlschränken wirklich nachvollziehen wollen, dann kommen Sie um dieses Kapitel nicht herum. Ist nicht kompliziert auch wenn da ein paar Bruchstriche stehen.

Die relative Luftfeuchte berechnet sich wie folgt:

Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen als kalte Luft. Das bedeutet: Kühlen wir 20°C warme Luft auf 18°C ab, so steigt die relative Luftfeuchte an. Wird die Luft wieder erwärmt, so sinkt die relative Luftfeuchte wieder ab (immer unter der Bedingung, dass der Luft keine Feuchtigkeit zugeführt oder entzogen wird).

Das obige Beispiel gilt aber nur dann uneingeschränkt, wenn wir von einem Raum ausgehen, in dem außer der Luft nichts anderes enthalten ist und das Material des Raumes selbst keine Feuchtigkeit speichern kann. Also bspw. ein Glas- oder Metallkasten.

Ein einfaches Beispiel, dass man im Experiment nachstellen kann.

Die Theorie

Nimm einen Glaskasten, z.B. ein leeres Aquarium. Glasdeckel drauf. Erzeuge bei 20°C eine relative Luftfeuchte von 70% im Glaskasten. Stelle den geschlossenen Kasten in die Sonne, bis die Temperatur 30°C beträgt. Die relative Luftfeuchte wird auf ca. 40% absinken.

Warum?

Bei 20°C kann die Luft maximal 17,3 g Wasser speichern.
Bei 30°C kann die Luft maximal 30,3 g Wasser speichern.
(Die Wassermenge bezieht sich immer auf 1 Kubikmeter Luft, aber das ist für die Erklärung nicht relevant).

Nun Grundschule, Bruchrechnen – ohne das geht’s nicht.

Abgekürzt schreiben wir:

Umgestellt ergibt sich für die Tatsächliche Wassermenge in der Luft:

Wir starten ja mit 70% und 20°C und wissen, dass die Luft bei 20°C maximal 17,3 g Wasser aufnehmen kann. Also einsetzen:

Also sind bei 20°C und 70% relativer Feuchte genau 12,11 Gramm Wasser in der Luft gelöst.
Nun heizt sich die Luft auf 30°C auf. Was passiert mit der relativen Luftfeuchte?
Wir haben folgende Informationen:
In der Luft sind 12,11 Gramm Wasser enthalten.
Bei 30°C kann die Luft maximal 30,3 Gramm Wasser speichern.
Alles einsetzen in:

Die Luftfeuchte sinkt also auf 40% ab.
10°C Abkühlung bewirken einen Rückgang der Luftfeuchte von 70% auf 40%. Also Pro Grad Celsius 3% Veränderung in der relativen Luftfeuchte.

Diesen Wert behalten Sie im Kopf. Pro Grad Celsius ändert sich die relative Luftfeuchte um 3%.

(Für die Physiker: Diese vereinfachte Aussage wird als linear im Bereich 15-30°C angenommen. Zwar ist der Zusammenhang nicht wirklich linear, in diesem eingegrenzten Temperaturbereich sei es aber legitim, Linearität zu unterstellen. Hintergrund: Je höher die Temperatur, desto steiler wird die Kurve, wenn auf der X-Achse die Temperatur und auf der Y-Achse die Menge an Wasser in der Luft abgetragen wird.)

Die Praxis

Nun wiederholen wir das Experiment mit dem Glaskasten, legen aber noch ein paar Holzplatten und ein paar Zigarren rein. Die Temperatur steigt also wieder auf 30°C aber was passiert mit der Luftfeuchte? Sie werden die 40% niemals zu sehen bekommen. Niedriger als 50-52% sinkt die Luftfeuchte nicht ab. Wartet man einige Zeit bei 30°C ab so steigt die Luftfeuchte weiter an. Je nach Größe des Glaskastens und der Menge an Holz und Zigarren darin dauert es 1-2 Stunden und wir haben 70-75% Luftfeuchte im Glaskasten.

Nun kühlen wir den Aufbau wieder ab auf 20°C. Und was zeigt unser Hygrometer? Es steht fast bei 100% und an den Glasflächen bildet sich Kondenswasser.

Was ist passiert?

Die erhöhte Temperatur hat dazu geführt, dass das im Holz und den Zigarren gebundene Wasser in die Luft des Glaskastens verdampft ist. Das erklärt, weshalb die Luftfeuchte gar nicht die 40% erreichen kann, einfach deshalb, weil mehr Wasser durch das Verdampfen in der Luft ist. Nun wird die Luft abgekühlt. Weder die Zigarren noch das Holz sind in der Lage, die überschüssige Feuchtigkeit so schnell zu resorbieren und deshalb steigt die Luftfeuchte an, schlimmstenfalls bis der Taupunkt erreicht wird und das überschüssige Wasser an den kälteren Glaswänden als Tropfen kondensiert.

Das sind die theoretischen Grundlagen, um die Problematik des Zigarrenkühlschrankes zu verdeutlichen.

Was bedeutet das konkret für die Luftfeuchte im Zigarrenkühlschrank?

Angenommen es ist Sommer, 28°C in der Bude und 60% relative Feuchte in der Umgebungsluft.Unseren Zigarrenkühlschrank stellen wir auf 18°C und 70% relative Feuchte. Angenommen im Schrank hätten wir nun tatsächlich einmal 18°C und 70% rF. Nun öffnen wir die Türe. 28°C warme Luft mit 60% relativer Feuchte strömen in den Humidor. Türe zu.

Und jetzt kommt die große Frage – was passiert?

Zunächst wird die Kühlung anlaufen. Hinsichtlich der Luftfeuchte passieren nun zwei Dinge.

1. Durch die Abkühlung der Luft steigt die relative Luftfeuchte (siehe oben)
2. Das Kühlsystem pumpt kalte Kühlflüssigkeit durch den Wärmetauscher, Wasser kondensiert am Wärmetauscher. Folglich wird der Luft Wasser entzogen und die Luftfeuchte sinkt.

Die große Frage: Welcher Effekt überwiegt jetzt? Glaubt man den Versprechungen der Hersteller, dann soll in kurzer Zeit die eingestellte Temperatur und Luftfeuchte im Humidor wieder erreicht sein. Dann müsste ja dieser wenige Hundert Euro teure Zigarrenkühlschrank das Gleiche leisten, wie ein mehrere Tausend Euro teurer Laborbrutschrank mit Feuchteregelung.

Was nun konkret im Klimaschrank hinsichtlich Luftfeuchte und Temperatur passiert ist abhängig von der Intelligenz der Steuersoftware und der Anzahl der Regelkreise.

Unmögliches möglich machen

Die einzige Möglichkeit, eine konstante Temperatur UND eine konstante relative Luftfeuchte (denn die ist ja temperaturabhängig) in einem geschlossenen Volumen zu erzeugen und das auch noch unabhängig von der Umgebungsfeuchte und Umgebungstemperatur, ist der Einsatz drei getrennter Regelkreise, die voneinander unabhängig sind.

1. Kühlung und Heizung
2. Befeuchtung
3. Entfeuchtung

Der Haken: In all diesen Zigarrenkühlschränken ist die Kühlung mit der Entfeuchtung gekoppelt. Wird gekühlt, so wird auch zwangsweise entfeuchtet. Das lässt sich nicht abstellen.

So lange der Effekt der Entfeuchtung durch Kondensatbildung überwiegt ist noch alles in Ordnung. Dann kann der Befeuchter (vorausgesetzt es ist überhaupt ein richtiger Befeuchter mit Regelung verbaut und nicht einfach nur eine Schüssel mit Wasser eingestellt) nachbefeuchten und man erhält tatsächlich zunächst die gewünschten Werte. Sobald die Kühlung abschaltet und der Befeuchter die verloren gegangene Luftfeuchte ausgeglichen hat, ist die gewünschte Luftfeuchte erreicht. Problem: Das Kondenswasser auf dem Wärmetauscher beginnt nun zu verdunsten und zwar unkontrolliert. Teilweise haben diese Zigarrenkühlschränke eine doppelte Rückwand mit einem eingesetzten Lüfter und dieser quirlt nun nicht nur die Kälte, sondern blöderweise auch die Luft über die nasse Wärmetauscherplatte, wodurch die Verdunstung des Kondenswassers noch verstärkt wird. Die Folge ist ein unkontrollierter Anstieg der Luftfeuchte.

Das ist das Kernproblem: Die systematische Überfeuchtung aufgrund schwankender Umgebungsbedingungen (Temperatur und Feuchtigkeit) und aufgrund fehlender Trennung der Regelkreise.

Und nun ist die Frage, wie die Hersteller auf das Problem der ansteigenden Luftfeuchtigkeit reagieren.

Die ganz billigen Klimaschränke machen – gar nichts. Das Problem existiert – fertig.

Manche Hersteller behelfen sich damit, dass bei einem zu hohen Anstieg der Luftfeuchte die Luft aus dem Humidor gesaugt wird. Wird Luft aus dem Humidor gesaugt, so muss sie auch wieder nachströmen und zwar von außen. So lange im Winter bei trockener Heizungsluft die Umgebungsfeuchte gering genug ist kann das tatsächlich funktionieren.

Aber wehe die Luftfeuchte und/oder die Temperatur in der Umgebung ist zu hoch. Dann wird die Luft von außen angesaugt, abgekühlt, dadurch steigt die Luftfeuchte wieder und das Problem bleibt weiterhin bestehen. Ein Hersteller, der dieses Konzept verfolgt, hat einen ganz wesentlichen Aspekt der Zigarrenlagerung nicht verstanden. Je mehr Frischluft die Zigarre umgibt, desto schneller verliert Sie ihr Aroma und Bouquet. Der hohe Luftdurchsatz saugt förmlich die Aromen aus den Zigarren, weshalb dieses Konzept ein kompletter Rohrkrepierer ist.

Die dritte Möglichkeit: Das System misst die Temperatur und die Luftfeuchte. Primär wird der Fokus auf die Luftfeuchte gelegt. Soll heißen: Wenn durch das Kühlen die relative Luftfeuchte den gewünschten Zielwert nicht erreichen kann, dann wird die Kühlung eben einfach abgeschaltet. Im Display sieht man zwar die eingestellte Zieltemperatur von 18°C, die Kühlung stoppt und tatsächlich sind im Humidor 23°C. Kein Witz. Selbst gesehen. Bei einem Klimaschrank für € 2.200 Euro. Da schau an. Schummelsoftware kannten wir bislang nur von unseren Autobauern… Aber immerhin verrotten die Zigarren in so einem Humidor nicht. Andererseits muss man sich fragen, weshalb man Geld für so ein System ausgibt, wenn es gar nicht die Funktion mit sich bringt, welche eigentlich die Kaufentscheidung beeinflusst hat.

Was ist die Ursache?

Wie bereits zu Beginn erwähnt - de facto alle am Markt erhältlichen Zigarrenkühlschränke sind nichts anderes als umgewidmete Weintemperierschränke mit Ablagen für Zigarren. Bestenfalls unten noch einen Befeuchter reingestellt (natürlich ohne dediziertes Luftleitsystem) und dann nennt man das Humidor. Das sieht man daran, dass sich einige Hersteller noch nicht mal die Mühe machen, separate Bilder anzufertigen und in der Produktübersicht des „Humidors“ Bilder des Schrankes mit Weinflaschen zeigen.

Das aber ein derartiges Konstrukt Zigarren eher zerstört denn sie zu erhalten ist dann ein unangenehmer Effekt, der sich erst im laufenden Betrieb herausstellt.

Für die Weinlagerung ist die konstante Temperatur maßgeblich, die Luftfeuchte spielt eine eher untergeordnete Rolle (sie ist nicht irrelevant weil bei zu geringer Luftfeuchte die Korken austrocknen).

Für die Zigarrenlagerung ist die konstante Luftfeuchte von höchster Bedeutung. Die Temperatur ist an sich irrelevant. In einem Temperaturbereich von 18-29°C zieht sich die Zigarre bei 70% relativer Luftfeuchte immer die 12,5-13 Gewichtsprozent an Wasser, um perfekt abzubrennen.

Weshalb werden dann derartige Zigarrenkühlschränke verkauft? Weil sie gekauft werden. Und warum werden sie gekauft? Weil sie vermeintlich viel Technik für wenig Geld bieten und sich die wenigsten Zigarrenraucher mit der Materie wirklich auseinandersetzen wollen oder gefakten, positiven Produktrezensionen auf dem Leim gehen. Fazit: In unseren Breiten ist eine gekühlte Zigarrenlagerung vollkommen sinnlos und schafft mehr Probleme als sie löst.

Die folgenden beiden Artikel, die ich für das Cigar Journal geschrieben habe, befassen sich ausführlich mit den Folgen gekühlter Zigarrenlagerung.

Diese und noch viele weitere Fachbeiträge können Sie unter PUBLIKATIONEN als PDF herunterladen.