Relative Luftfeuchte

Feuchtigkeit und Sättigung

Mit dem Begriff der Feuchtigkeit bezeichnet man den Wassergehalt eines Stoffes. Wie jeder andere Stoff (z.B. ein Schwamm) hat auch Luft nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit für Wasser. Diese Grenze nennt man Sättigung. Unterhalb der Sättigung ist feuchte Luft für das Auge nicht von trockener zu unterscheiden, oberhalb der Sättigung fällt der überschüssige Wasseranteil als Nebel in Form feiner Wassertröpfchen aus. Das ist das, was Sie im Dampfbad beobachten können.

Nun gibt es einen sehr wichtigen Sachverhalt. Die relative Luftfeuchte (rF) muss immer in Abhängigkeit zur Temperatur gesehen werden. Oder anders ausgedrückt: Im dem Begriff "relative Luftfeuchte" steckt schon implizit die Temperatur mit drin. Die von der Luft aufnehmbare Wassermenge ist temperaturabhängig und steigt stark progressiv mit ihr an. Bei 5°C beträgt die Sättigung 7 g Wasser/Kubikmeter (m³), bei 30°C sind es bereits 31 g Wasser/m³. Das bedeutet, 5°C warme Luft kann maximal 7 g Wasser pro Kubikmeter Luft speichern - mehr ist physikalisch nicht möglich.


Absolute Feuchtigkeit

Die absolute Luftfeuchtigkeit ist die in einem bestimmten Luftvolumen (in allen weiteren Beispielen bezogen auf 1m³ Luft) enthaltene Wasserdampfmasse. Sie wird in g/m³ angegeben.


Maximale Luftfeuchtigkeit

Die maximale Luftfeuchtigkeit ist die bei einer bestimmten Temperatur maximal mögliche Masse an Wasserdampf in der Luft. Bezogen auf obiges Beispiel bedeutet das: Bei 5°C ist die maximale Luftfeuchtigkeit 7 g Wasser pro 1 Kubikmeter Luft.


Relative Luftfeuchtigkeit

Die relative Luftfeuchte ist nun das Verhältnis der in der Luft tatsächlich enthaltenen Menge an Wasserdampf zur maximal möglichen Menge an Wasserdampf. Diese Größe ist dimensionslos, weil sich ja die Einheiten g/m³ weggkürzen und wird hilfsweise in % angegeben. Also sieht das Ganze so aus:

Gehen wir nun zu einem Zahlenbeispiel, das für die Zigarrenlagerung relevant ist. Wir nehmen eine Temperatur von 20°C an. Bei dieser Temperatur kann die Luft maximal 17,3 g Wasser pro Kubikmeter Luft aufnehmen. Sind tatsächlich diese 17,3 g Wasser als Wasserdampf in der Luft gelöst, so haben wir eine relative Luftfeuchte von 100%. Für die Zigarrenlagerung ist ein Wert von um die 70% anzustreben. Wenn in der Luft bei 20°C 12,5 g Wasser in der Luft gelöst sind dann ergibt sich:

Optimaler Wassergehalt in der Zigarre

Die Zigarre raucht sich optimal, wenn Sie 12-13 Gewichtsprozent an Wasser aufgenommen hat (für alle folgenden Zahlenbeispiele gehen wir von 13 Gewichtsprozent aus). Sie brennt gleichmäßig bei gutem Zug und wird nicht beißend. Der Tabak entfaltet so sein volles Aroma, das Deckblatt fühlt sich geschmeidig an, die Elastizität der Zigarre ist optimal.

Wenn Sie also eine korrekt gelagerte Zigarre mit einem Gewicht von ca. 10 Gramm in der Mikrowelle bei 2000 W auskochen, dann wiegt sie danach noch ca. 8,7-8,8 Gramm. Wenn Sie das getan und verifiziert haben, dann wissen Sie: Die Zigarre war perfekt gelagert. Die Betonung liegt auf "war", denn Sie haben die Zigarre zerstört. Also wenn Sie das unbedingt testen wollen - nehmen Sie ein billiges Exemplar... Die Lagerungsbedingungen sind also so zu wählen, dass sich dieser Wert von 13 Gewichtsprozent in der Zigarre einstellt.

Und wie sehen diese Lagerungsbedingungen aus? Diese Frage ist auf den ersten Blick nicht trivial und zwar aus folgendem Grund. Wie oben ausgeführt wissen Sie nun, dass die Luft bei unterschiedlichen Temperaturen auch unterschiedlich viel Wasser aufnehmen kann. Die 5°C warme Luft kann gerade mal 7 g Wasser/m³ Luft aufnehmen, 20°C warme Luft schon 17,3 g Wasser bei 30°C sind es dann schon 31 g Wasser/m³ Luft.

Nun kam ein Zigarrenhersteller aus Baden-Württemberg, der davon ausging, er habe die Luftfeuchte (und noch viele andere Dinge) erfunden, auf folgenden Gedanken: Wenn sich die Zigarre bei einem Wassergehalt von 13 Gewichtsprozent optimal raucht, dann liege das daran, dass bei einer Zimmertemperatur von 22°C und 70% relativer Luftfeucht gerade 13 g Wasser/m³Luft gelöst sind. Im Umkehrschluss müsse man nun dafür sorgen, dass, egal welche Temperatur im Humidor herrsche, pro Kubikmeter Luft immer die 13 g Wasser in der Luft gelöst sind. Was das in der Praxis bedeuten würde zeigt die Tabelle.

Sofern Sie Ihr Ferienhaus nicht heizen oder der Humidor im Keller bei 15°C steht, müssten Sie die relative Luftfeuchte auf 100% erhöhen. Im Sommer, wenn es 28°C in der Umgebung des Humidors (und damit auch im Humidor) warm ist, dann sollten Sie die relative Luftfeuchte auf 47% reduzieren.

Ob Sie es glauben oder nicht - in Deutschland sind mehrere Fachhändler, Gastronomen und Hoteliers auf diesen Unfug reingefallen und haben Humidore für einen vollkommen absurden Preis gekauft, der also nicht die relative Luftfeuchte, sondern den Wassergehalt der Luft regelt, also die absolute Luftfeuchte. In welchem Zustand die Zigarren in diesen Humidoren sind muss ich wohl nicht beschreiben.

Dies ist ein Beispiel was passieren kann, wenn man in der 8. Klasse Physik nicht aufpasst, dann aber meint, man sei mit kreativem Geheimwissen gesegnet. 13 g Wasser/m³ Luft und 13 Gewichtsprozent an Wasser in der Zigarren haben genau eines gemeinsam. Die Zahl 13. Mehr aber auch nicht. Ansonsten ist diese Schlussfolgerung einfach nur falsch.

Wenn Sie sich nach dieser Tabelle richten, werden Sie Ihre Zigarren zerstören. Geneigter Leser - vergessen Sie diese unsägliche Tabelle. Sie ist so dumm wie 10 Meter Feldweg und bietet keinerlei Orientierung für die Zigarrenlagerung. Auch wenn noch immer einige Jünger durch die Zigarrenwelt kreuchen und diesen Blödsinn verbreiten - einfach ignorieren. Wenn Sie die Möglichkeit haben, Zigarren bei konstanter Temperatur zu lagern, so ist ein Bereich von 18-22°C optimal. Wenn Sie die Temperatur nicht regeln können so ist das auch kein Problem. Achten Sie nur darauf, dass Sie in einem Bereich von 16-28°C bleiben. In diesem Temperaturbereich lagern Sie bei 65-70% rF und die Zigarren werden ihre 12-13 Gewichtsprozent Wasser an sich binden. Von ganz alleine.

Die Bindungsfähigkeit der Zigarre für Wasser

Eine Zigarre besteht aus organischen Verbindungen wie Proteinen und diversen Zuckerarten. Entscheidend für die "Bindungsfähigkeit" chemischer Verbindungen für Wasser ist deren Polarität. Die Polarität hängt von bestimmten chemischen Strukturelementen ab. Bestimmend für die Polarität organischer Verbindungen sind die Elemente Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel. Je mehr dieser Elemente enthalten sind, desto höher ist die Polarität und auch die Hydrophilie, also die Fähigkeit Wasser anzulagern. Zucker ist hierzu ein Paradebeispiel.

Die Frage ist nun: Wenn hauptsächlich die chemische Struktur des Tabaks ausschlaggebend für die Bindung des Wassers an die Moleküle ist, weshalb beobachtet man dann den Effekt, das Zigarren in einem Temperaturbereich von 16-28°C bei 70% relativer Feuchte nahezu die gleiche Menge an Wasser aufnehmen, obwohl (wie oben beschrieben) doch die Menge gelösten Wassers in der Luft bei höherer Temperatur ebenfalls erheblich höher ist? Müsste die Zigarre bei 70% relativer Luftfeuchte und 26°C nicht viel zu feucht werden, weil ja pro m³ Luft mehr Wasser gelöst ist als bei 70% relativer Feuchte und 20°C?

Die kinetische Gastheorie hilft bei der Zigarrenlagerung

Hier möchte ich die Gedanken eines Physikers wiedergeben (ein Kunde von mir, der mir folgende Erklärung anbot). Je höher die Temperatur der Luft ist, desto leichter geht Wasser in den Dampfzustand über. Es hat eine höhere kinetische Energie (Bewegungsenergie) und damit lagert es sich nicht mehr so leicht an die Moleküle (Zucker) des Tabaks an.

Zwar ist absolut gesehen bei höherer Temperatur und identischer rel. Luftfeuchte der absolute Wassergehalt der Luft höher als bei niedrigerer Temperatur, jedoch verhindert die höherer kinetische Energie der Wassermoleküle ein übermäßiges Anlagern von Wasser.

Seit über 20 Jahren lagere ich meine Zigarren bei ca. 70% rel. Feuchte ohne eine Temperaturanpassung vorzunehmen. Im Sommer ist es im Humidor wärmer, im Winter kälter. Sei's drum. Wenn die relative Luftfeuchte stimmt, dann ist mir persönlich die Temperatur weitgehend egal. Und den Zigarren offenbar auch. Wichtig ist nur, dass die Feuchte konstant gehalten wird und nicht schwankt. Sonst reißen die Deckblätter und die Brandenden platzen auf.

In den Herkunftsländern der Zigarre ist es erheblich wärmer als in unseren Breiten und kein Mensch käme dort auf die Idee, Zigarren gekühlt zu lagern. Gewiss haben die Geschäfte Klimaanlagen in den begehbaren Humidoren. Das hat aber nicht den Grund, dass Zigarren gekühlt gelagert werden müssten, sondern dass es einfach eklig ist, bei 35°C im Humidor vor sich hin zu schwitzen.

Die 65-70% scheinen ein sinnvoller Praxiswert zu sein, wenn wir uns in einem Temperaturbereich von 16-28°C° bewegen. Ich habe selbst den Versuch gemacht und Zigarren bei 30°C und 50%rF gelagert. Ergebnis: Die Zigarre ist unrauchbar. Und umgekehrt: Bei 15°C und einer relativen Luftfeuchte von 90% ist es nahezu unmöglich, die Zigarren länger als ein Jahr zu lagern, ohne das sich grünlicher Schimmel auf den Zigarren und Kisten bildet. Zudem sind die Zigarren butterweich und brennen schlecht.

Gelagert bei 65-70% können Zigarren mehrere Dekaden reifen und werden immer besser. Eine Anpassung der Temperatur ist nicht erforderlich. Unter 16°C sollten Zigarren nicht gelagert werden, da sie zu wenig Wasser an sich binden, bei Temperaturen von mehr als 27-28°C würde ich die Luftfeuchte etwas reduzieren, damit die Zigarren nicht zu weich werden.